Corona-Winter is coming: Wie bringen Gastronomien Sicherheit und Aufenthaltsqualität zusammen?

von Jan-Peter Wulf
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Foto: Redaktion

Bislang war ein gut gefüllter Laden ein Ausdruck von Wohlgefühl. Dieses Jahr ist alles anders und auch das. Wie lassen sich das Bedürfnis nach Sicherheit und ein angenehmer Aufenthalt im ersten Corona-Winter miteinander verbinden?

Dieses Phänomen faszinierte mich immer schon: Zwei nahezu identisch wirkende Restaurants oder Cafés auf einer „Gastro-Meile“. Beide hübsch eingedeckt, Kerzen auf den Tischen leuchten – im einen Betrieb ist ordentlich was los, im anderen nicht. In die eine Gastronomie, die schon belebt ist, kommen immer mehr Gäste, in die andere erst dann, wenn drüben fast kein Platz mehr ist. Man kennt es auch von Streetfood-Ständen: Dort, wo die Schlange ist, stellen sich weitere Hungrige an. Dort, wo niemand am Truck steht, ist man latent skeptisch und bleibt eher fern – warum auch immer, es ginge doch schneller.

Menschen sind Herdentiere. Besonders wenn’s ums Essen gehen geht: Die Anwesenheit anderer Menschen signalisiert Sicherheit, Schutz, nicht vergiftet zu werden (unterbewusst freilich). Natürlich geht es auch um andere Dinge wie Genuss und Kommunikation, um gefühlte Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, um Freizeit-Selbstverwirklichung. Die berühmte Maslow’schen Bedürfnispyramide ist eigentlich eine Gastronomie, denn sie bildet von unten bis oben alle Bedürfnisse ab, die eine Gastronomie erfüllen sollte.

In diesem Herbst ist alles anders, so wie in diesem Sommer und in diesem Frühjahr schon alles anders war. Sicherheit und Schutz, die Basis der Pyramide, ist zurzeit ein besonders großes Bedürfnis, was bislang irgendwie selbstverständlich und hintergründig war, tritt nun in den Vordergrund. Die Gründe dafür sind allseits bekannt. Im Frühjahr wurde der Gastronomie die Entscheidung, wie man darauf nun reagieren sollte, abgenommen: Alle Läden blieben aus Sicherheitsgründen geschlossen. In Sommer zeigte sich: Wer draußen Plätze anbieten kann, der kommt den Bedürfnissen seiner Gäste nach frischer Luft – Sicherheit – sehr entgegen. Natürlich ist Außengastronomie in jedem Sommer relevant, aber so wichtig wie in diesem Jahr war sie noch nie. Deswegen auch so viele besondere Outdoor-Konzepte wie in Wiesbaden – oder einfach zwei Extratische auf dem Bürgersteig, im Parkhafen oder im Vorgarten.

Nun wird es langsam kühler, die Schatten werden länger, bald verlagert sich der Betrieb wieder nach innen. Oder nicht? Das nämlich ist genau die Frage, mit der sich viele in der Branche zurzeit beschäftigen: Wenn es wieder reingeht, setzen sich die Leute auch wieder rein? In diesem Herbst, in dem das alljährliche Geschniefe und Gehuste in Bus und Bahn, im Geschäft und im Büro auf einmal wie ein Angriff wahrgenommen werden könnte?

Sorry für die Polemik. Doch machen wir uns nichts vor: Es stehen noch einmal sehr harte Monate vor einer Branche, die schon immer davon lebt, Aufenthaltsqualität oder Begegnungsqualität zu schaffen. Der berühmte „third place“ zwischen Zuhause und Arbeitsplatz, den wir alle so lieben und von dem viele, die das hier lesen, leben – er muss nicht, aber er könnte für manche Menschen zurzeit unattraktiv, weil unsicher wirken. Und das, das ist das Fatale, selbst bei penibler Einhaltung aller aktuellen Abstands- und Hygieneregeln. Es wird in den kommenden Wochen von Verbänden, Medien und anderen Institutionen sicher viele Tipps und Hilfestellungen geben, wie diese Regelungen umzusetzen sind. Wir werden vielleicht auch wieder lustige, augenzwinkernde Lösungen sehen. Und jede*r vernünftige Gastronom*in wird alles dafür tun, die Auflagen einzuhalten – im eigenen Interesse und in dem der Gäste.

Abstand, Platz, absolute Sauberkeit in allen Räumlichkeiten, klar gekennzeichnete Laufwege, Raumteiler, Luftigkeit, ohne dass es zieht – viele Dinge können helfen, indoor für Sicherheit und Wohlgefühl zu sorgen. Am Ende ist besagte Aufenthaltsqualität aber ein sehr fragiles und subtiles Ding – und wird es diesen Winter mehr sein denn je: Waren bislang eher (recht) viele Menschen in einem Raum ein positives Kriterium, dreht sich diese Wahrnehmung gerade. Und gleichzeitig muss es wirtschaftlich bleiben – ein denkbar schmaler Grat, auf dem sich die Gastronomie in diesem Winter bewegen wird müssen. Wie schafft man es, dass Gäste sich nicht nur sicher, sondern aufgehoben und richtig gut fühlen? Dass sie wirklich Lust haben, zum Essen und Trinken zu kommen, ohne dabei immer an Viren, Aerosole und Infektionsgefahren denken zu müssen? Dass sie für ein, zwei Stunden oder mehr sorgenfrei genießen dürfen?

Eine einfache Antwort darauf gibt es freilich nicht. Aber vielleicht ist es ein guter Ausgangspunkt, einmal von sich selbst auszugehen: Vom Gastgeber in die Rolle eines Gastes zu wechseln, die Perspektive zu tauschen und auf sich selbst zu schauen. Würde man sich als Gast wohl fühlen? Unser Tip: In ein, zwei, drei Gastronomien gehen (hinein, nicht Außenbereich) und das Erlebnis auf sich wirken zu lassen. Fühlt es sich gut an? Was könnte helfen, damit es besser ist?

Hilfreich kann auch sein, mit Mitarbeiter*innen, Kolleg*innen und Stammgästen zu sprechen – was hilft ihnen, damit sie sich sicher und gut fühlen? Vielleicht haben sie eigene Ideen und können den kleinen, aber entscheidenen Tipp geben. Viel hilft viel. Und die Gäste in der Kommunikation mitzunehmen und sie um ihre Wünsche und Vorschläge zu bitten, damit es gemeinsam klappt, ist sicherlich auch keine schlechte Idee. Warum nicht offen sagen, dass man auch kein perfektes Rezept hat, aber alles dafür tun will, damit es für alle angenehm bleibt? Wir alle erleben diese Situation zum ersten Mal.

Und hoffentlich auch zum letzten Mal.

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