Feiern for future: Was kann die Clubszene für den Klima- und Umweltschutz tun?

von Jan-Peter Wulf
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Fotos: Redaktion

Clubs sind ja eigentlich Orte des „Abschaltens“: Hier geht es ums Feiern und darum, den Alltag draußen zu lassen. Doch das bedeutet nicht, dass das aktuell so dringende Thema Klima- und Umweltschutz hier keinen Platz hat – ganz im Gegenteil. Wie sich die Clubszene „grüner“ und nachhaltiger aufstellen kann, haben wir im Rahmen des „Future Party Lab“ erfahren. 

Berlin an einem Vormittag im Sommer 2019. Wir befinden uns im Birgit & Bier, einem Club-Biergarten nahe der Spree in Kreuzberg. Es haben sich trotz großer Hitze eine ganze Menge Leute hier eingefunden – allerdings nicht, um Bier zu trinken, zu tanzen und zu chillen, sondern um am ersten „Future Party Lab“ des Vereins Clubliebe e.V. teilzunehmen, einem „Innovationslabor für eine nachhaltige und klimafreundliche Clubkultur“.

Die Gäste sind Club- und Locationbetreiber*innen, Veranstalter*innen oder haben anderweitig mit der bunten Berliner Clubszene zu tun. In verschiedenen Workshops und Vorträgen wird an diesem Tag thematisiert, wie sich die teils enormen Abfälle beim Feiern in Clubs und bei Festivals reduzieren lassen, wie gar ein praktisch abfallfreier „Zero Waste Club“ aussehen könnte oder wie sich die An- und Abreise der Gäste durch Kooperationen mit dem ÖPNV-Verbund oder Fahrradverleih umweltfreundlich gestalten lässt.

90 Prozent der grünen Stromtarife sind keine 

Wir hörn unter anderem den Vortrag von Pascal Tsachouridis, zuständig für Veranstaltungsbetreuung der Naturstrom AG. Er erklärt, dass es gerade im Strombereich – jeder Clubbetreiber weiß, was für ein großer Faktor die Energie in seinem Betrieb ist – eine Menge „Greenwashing“ gibt: 90 Prozent der „grünen“ Stromtarife, so hat er analysiert, sind eigentlich gar nicht umweltfreundlich. Sie nutzen herkömmlichen Strom aus Kohle, Atomkraft und Co., doch aufgrund von Zertifikathandel dürfen sie sich ein Ökostrom-Label aufs Etikett kleben. Für den Verbraucher, ob privat oder kommerziell, sei oft nicht klar erkennbar, ob der Strom tatsächlich aus erneuerbaren Energien stamme, so Tsachouridis. Sein Tipp: Strom von einem Anbieter beziehen, der sein Produkt mit einem dieser vier Label kennzeichnen darf: Grüner Strom Label GSL, o.k. Power Label, TÜV Nord (A 75-S026-1) oder TÜV Süd EE02-Siegel.

Echter Ökostrom ist etwas teurer – da kann bei einer Discothek schnell ein ordentlicher Mehrbetrag pro Jahr entstehen. Das Unternehmen Naturstrom hat sich diesbezüglich aber etwas Interessantes ausgedacht: In Zusammenarbeit mit der Livekomm, dem Verband der deutschen Musikspielstätten, wurde ein eigener Naturstrom-Gewerbetarif für die Mitglieder entwickelt. Ein Teil der eingenommenen Gelder geht zurück an den Verband und kommt dessen Aktivitäten zugute. Zusätzlich baut er gerade eine Art Energieberatungs-Roadshow für die Spielstätten auf, bei denen Möglichkeiten des Strom- und Energiesparens vorgestellt werden. „Das wollen wir zukünftig strukturiert machen“, so Tsachouridis, „der beste Strom ist der nicht verbrauchte Strom.“

Clubs brauchen strukturierte Energieberatung

Derartige Energieberatungs-Angebote seien in der Berliner Clubszene noch ziemliche Mangelware, erklärt uns Matthias Krümmel vom BUND. „Eine maßgeschneiderte Energieberatung für Clubs gibt es praktisch nicht.“ Dabei wäre sie dringend notwendig, denn speziell beim Thema Kühlung sehe er viel wortwörtliches Einsparpotenzial: „Beim Licht sind wir oft viel weiter, da wird auch aus ästhetischen Gründen auf energiesparende LEDs umgestellt. Aber hinter den Tresen stehen oft Jahrzehnte alte Kühlgeräte herum, die von Club zu Club weitergereicht werden.“ Zudem sind die von den Brauereien oder Fachgroßhändlern zur Verfügung gestellten Glaskühlschränke, bei denen es vor allem um Sichtbarkeit der Produkte geht, alles andere als effizient. Krümmel rät der „professionellen Beraterszene“, die Gastronomie- und Tanzbetriebe in ihrem Management coacht und unterstützt, ihr Know-how in diesem Bereich deutlich zu erweitern und Energieberatung als Teil ihrer Leistungen mit anzubieten. „Man bräuchte aber auch einen entsprechenden Ansprechpartner im Betrieb“, stellt er fest.

Tanzbetriebe müssen ökologischer werden

Tatsächlich lernen wir an diesem Nachmittag beim „Future Party Lab“ eine junge Frau kennen, die Nachhaltigkeitsbeauftragte in einem recht großen Berliner Club ist. Allerdings bekleidet sie diesen Posten noch ganz frisch und möchte daher erst einmal zuhören, lernen – und kein Statement abgeben.

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Überhaupt hat die Veranstaltung etwas von einer Graswurzelbewegung: Es wird viel diskutiert, in den Workshops werden bunte Post-its mit nachhaltigen Ideen auf Papptafeln hin- und hergeschoben, ein Konzept für einen grünen Club-Award namens „Zero Waste Star“ wird geschmiedet. Es hat Werkstatt-Charakter. Angetrieben von aktuellen, bedrohlichen Zukunftsszenarien – drastische Erwärmung des Planeten durch steigende Emissionen, immer mehr Plastikmüll in der Landschaft und in den Meeren, um nur zwei zu nennen – scheint auch in der Clubszene das Bewusstsein zu wachsen: So kann es nicht weitergehen. Auch Tanzbetriebe, Veranstalter und andere Akteure der Szenewirtschaft müssen sich ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Verantwortung stellen.

Hedonismus und Verantwortung: kein Widerspruch

Das Gute daran: „Grünes“ Handeln lässt sich in Zeiten von Veränderungsbewegungen wie „fridaysforfuture“ durchaus positiv kommunizieren, damit werden Gäste angesprochen. Marcel Weber, Geschäftsführer des Neuköllner Clubs SchwuZ, berichtet gar, dass seine Gäste immer häufiger sogar von sich aus fragen, was der Club eigentlich für den Umweltschutz und für das Klima tue. Plastik-Trinkhalme hat man längst abgeschafft, was dem teils altgedienten Personal schwieriger zu vermitteln gewesen sei als den Personen vor dem Tresen, so Weber. Die Energieversorgung hat man von Gas auf nachhaltige Ressourcen umgestellt, man nutzt Ökostrom – und aktuell arbeitet man an etwas, das im Clubbereich, anders als in der Industrie, noch nahezu unbekannt ist: Wärmetausch.

Eigentlich liegt das ja nahe: Beim Feiern entsteht viel Temperatur, und während manche Locations mit energiefressenden Kühlungen dagegen halten, will man die Hitze im „SchwuZ“ zukünftig nutzen, um die eigenen Büroräume und vielleicht sogar Gebäude in der Nachbarschaft mit der Energie versorgen, die entsteht, wenn Körper in extatischer Bewegung sind. Mit einer großen Soli-Party wolle man Gelder einsammeln, um eine Anschubfinanzierung für die Installation eines Rückgewinnungssystems im Club zu generieren. 

Kostenlos bestellen: Green Club Guides
Clubliebe e.V. hat einen „Green Club Guide“ verfasst, der als virtueller Klimaberater für die Clubs in Berlin genutzt wird, aber auch für Betriebe in anderen Städten wertvolle Tipps parat hält. Download hier. Und auch von Greenpeace Energy gibt es für Clubbetreiber und Veranstalter eine Broschüre. Sie heißt zufälliger Weise ebenfalls „Green Club Guide“ und hält viele praktische Tipps zu Stromsparen bei Licht, Wärme und Kühlung, Müllreduktion und weiteren Umweltthemen parat. Sie kann kostenlos bestellt werden, Kontakt: Matthias Hessenauer, .

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